Heute fahre ich morgens mit dem ICE 1008 nach Berlin. Ein Mitfahrer hockt schon seit München drin, so kann ich mich zu ihm setzen, und mit Begleitung vergeht die Zeit eh wie im Fluge. Die kleine Verspätung bei Abfahrt durch eine polizeiliche Ermittlung holen wir komplett auf, so kommen wir überpünktlich in Berlin an, ganz unten im Keller.
Natürlich, wie sollte es anders sein, unser Anschluß fährt ganz oben unter’m Dach, aber die Zeit reicht, so kommen wir zu unserem Zubringer zu einer Veranstaltung, „Mobilität erleben 2019“, der Produktkonferenz der Deutschen Bahn. Ich war ja schon mal zu so einer Veranstaltung, damals hat uns ein piekfein herausgeputzter ICE befördert, doch dieses Mal reicht der Etat nur für eine museale alte Möhre :) Macht nix, für die zehn Minuten Fahrt ist es egal.
Die Fahrt ins DB-Werk Grunewald ist kurz, wir fahren direkt vor die Halle, und schon am Eingang zur Halle wird uns gezeigt, wer hier das Sagen hat. In Grunewald wird Arbeitsgerät gewartet, dementsprechend stehen hier besondere Fahrzeuge rum, wie 711 117, der auch von unten eine gute Figur macht, oder 741 233.
Für mich als funktechnisch Interessierten ist auch noch der Einblick in einen alten IC-Wagen spannend, an welchem demonstriert wird, wie die WLAN-Technik in den Zügen aussieht.
Aber primär dreht es sich natürlich um den Konzern DB, den Ausblick in die Zukunft, und auch, wo das Unternehmen gerade steht. Etliche Bahner, vom Azubi bis zum Chef, stehen uns dafür Rede und Antwort, durchaus offen und unverblümt. Natürlich werde ich nun von vielen Bahnern und auch Externen hören, das ist ja nur eine Schönwetterveranstaltung, die blasen euch Regenbogenzucker vom Einhorn rein, die Wirklichkeit sieht komplett anders aus. Sicher stimmt das in gewissem Maße, aber die Kunst besteht darin, das Negative zu erkennen, zu verbessern suchen und auch die Zukunft positv zu sehen. Nur mit einer positiven Grundeinstellung kann man was bewegen. Diese Bewegung sehe ich auch, sicher nicht mit der Wendigkeit einer Sportyacht, sondern eher mit der beharrlichen Vehemenz eines Supertankers – was ja kein Fehler sein muß.
Auch wurde ich gebeten, einen Bericht von der Veranstaltung abzugeben, zu meinen Eindrücken, zu meiner Meinung – ich habe mich entschlossen, dies hier öffentlich zu tun und nur den Link weiterzugeben.
#dbme19 war für mich eine gelungene positive Veranstaltung, die für die Ziele der Bahn warb und dabei auch zwischen den Zeilen die Probleme der Bahn erahnen ließ. Es wurden etliche spannende Projekte vorgestellt, auch welche, die man so oder so ähnlich schon erlebte, und die wieder in der Versenkung verschwanden, aber so wird auch klar, daß dieser Laden experimentiert, viele Wege geht und Sackgassen auch wieder verläßt. Die teils alte und behäbige Bahntechnologie wird an moderne Systeme drangetüddelt, man sieht die Hinwendung zu Bedürfnissen des Fahrgastes, merkt dabei aber auch, daß natürlich ein Massenverkehrsmittel primär auf den Durchschnitt der Bevölkerung abzielt und nicht jede Extrawurst perfekt abzubilden vermag. Sehr wichtig finde ich die Investitionen in Zugmaterial und Streckenerhalt und -ausbau, die durchaus seitens der Politik endlich hochgefahren wurden und auch nötig sind. Die Ziele der Bahn, das Fahrgastaufkommen im Fernverkehr zu verdoppeln, sind ambitioniert, aber auch absolut der richtige Weg. Ein wichtiger Teil der Strategie ist dabei die angedachte Einführung des stündlichen Deutschlandtakts, mit der Erweiterung an ca. 30 großen Bahnhöfen auf einen Halbstundentakt. Sozusagen eine große, weiße S-Bahn mit rotem (bzw. grünem) Streifen und mitgeführter Kneipe :)
Der Rahmen des Events war dabei für mich immer bodenständig, jedoch organisiert und einfach rundum rund. Die Verköstigung in Form der Lieblingsspeisen der fünfzehn Bahner war prima, dabei nicht abgehoben, die Umgebung einer sicher hundert Jahre alten Werkhalle, die nach schwerer Arbeit aussah und roch und vom letzten Krieg in Deutschland zeugte, war der Stimmung sehr angemessen, und die Präsentation der Projekte entlang Schienen und Arbeitsbühnen stimmig.
Ich hatte etliche nette Unterhaltungen gerade auch mit den „ganz normalen Bahnern“, die entlang eines Gleises Rede und Antwort standen, und die ganz sicher nicht nach besonders konformem Verhalten ausgesucht wirkten. Auch kritische Töne waren zu hören, und Diskussionen zu Problemen ging keiner aus dem Weg. Teils konnten so auf dem kurzen Dienstwege Probleme mit dem einen Mitarbeiter erörtert und im Nachgang gleich zum ebenfalls anwesenden Zuständigen weitergegeben werden. Man würde sich wünschen, auch im Alltag wären die Wege im Konzern immer so kurz!
Besonders erwähnen möchte ich Berthold Huber, der ein begnadeter Redner ist und im freien Vortrag ohne Notizen einen herrlichen Bogen von Erich Kästners „Emil und die Detektive“ (bekanntlich fährt Emil darin mit der Bahn nach Berlin und erlebt seltsame Dinge) zur den heutigen Möglichkeiten und Herausforderungen der Mobilität spannt. Wenngleich sicherlich inhaltlich kein wirklich relevanter Beitrag, so für mich doch als Abschluß das highlight von #dbme19 – ich habe diesen Redebeitrag genossen wie keinen anderen.
Natürlich muß die Bahn noch zumindest ein Klischee erfüllen und wenigstens einmal heute zu spät sein. Die Redner haben ein wenig überzogen, weshalb auch unser Sonderzug erst später loskommt und wir somit den angedachten Anschluß in die Heimat knapp verpassen. So haben wir mehr als eine Stunde Leerlauf, den wir auch nicht in der DB Lounge verbringen können, da diese schlichtweg überfüllt ist. Also suchen wir die Freßmeile auf, trinken da ein Bierchen, und unsere Kundenbeirats-Kontaktfrau der DB stößt überraschend auch noch dazu, so können wir die Zeit kurzweilig verbringen, bis der nächste Zug fährt.
Der ICE 1009 kommt im Gewand des „Kleinen ICE“ daher, wir bekommen gut Platz, und bis auf ein paar Minuten Verspätung und ein fast leergefuttertes Bordrestaurant ist die Fahrt entspannt und problemlos.