20190817

Den Hüpfer bis nach Anklam bestreiten wir mit IC 2425. Heute besuchen wir die Verantaltung Scientia mortuorum, eine Veranstaltung rund um Bestattungswesen, Bestattungskultur und Tod. Das Besondere daran ist der Veranstaltungsort, das ehemalige Wehrmachtsgefängnis Anklam.

Es gibt Kurzfilme, Leichenwagen aller Epochen, Vorträge von Bestattern und Thanatologen, Musik vom Theremin, Gesang von Roman Shamov, eine Photoausstellung, das Ehepaar Ströbl „Forschungsstelle Gruft„, welches alte Grüfte restauriert, berichtet von seiner Arbeit – ein sehr seriöses Programm, nicht in allen Punkten für schwache Nerven geeignet, wird doch das Thema Tod und Endlichkeit teils auch drastisch angesprochen, und gerade der vortragende Thanatologe/Thanatopraktiker mit seinen vorher/nachher-Bildern ist eher schwere Kost.

Einen besonderen Touch gibt dem Ganzen die Örtlichkeit. Dazu muß man wissen, dieses Wehrmachtsgefängnis stammt aus der Zeit des Dritten Reichs, und noch in den letzten Monaten und Wochen vor dem Kriegsende wurden dort militärgerichtliche Todesurteile vollstreckt, wovon derzeit 134 dokumentiert sind. Die Vergehen der Hingerichteten waren erschreckend banal, die kleinste Unzufriedenheit oder jugendliche Unbedachtheit selbst jüngster Rekruten wurde von dem im Abstieg begriffenen Regime als Wehrkraftszersetzung, Feigheit vor dem Feind, Fahnenflucht oder Verrat geahndet. Die Todesurteile hatten kaum Aussicht auf Gnade, da man vermittels Härte abschrecken wollte, und so entkamen den Todeszellen wohl nur wenige Angeklagte lebend. Übertrüge man die Relevanz der dort geahndeten „Verbrechen“ auf die heutige Zeit, so würde es bedeuten, unsere Regierung würde z.B. all die seltsamen „Merkel muß weg“-Rufer, die mal wieder durch eine Großstadt marschieren, wegfangen, zum Tode verurteilen und an die Wand stellen. Mit Rückblick auf die Ereignisse in diesem üblen Gefängnis, und auch auf diverse Stasi-Knäste, in denen es kaum besser zuging, bin ich doch froh, im „Jetzt und Heute“ zu leben, wo derlei nicht mehr möglich ist.

Betrieben und erhalten wird diese Gedenkstätte vom Zentrum für Friedensarbeit Otto Lilienthal, welches erfolgreich die Geschichte dieses Ortes aufarbeitet und versucht, den Opfern ihre Würde wiederzugeben. Somit steht das Gebäude auch unter dem Schutz der Regenbogenfahne :)

Die ganze Veranstaltung entrückte uns der Welt und dem Alltag, die Stimmungen, die Musik, die gesamte Atmosphäre, das alles war äußerst beeindruckend, und hier will man auch wahrlich nicht stupide knipsend durch die Hallen stürmen, wie dies vielleicht an anderen lost places ganz normal sein mag. Daher dieses Mal untypisch wenige Photos…in vielen Situationen erschien mir das einfach nicht angebracht.

Die Veranstalterin Anja Kretschmer hat alles bestens organisiert, der Zeitplan funktioniert, so kommen wir auch wieder bequem zum Bahnhof, um den letzten Regionalzug nach Greifswald zu erreichen. Pünktlich laufen wir dort wieder auf.