Heute fahren wir mit der Straßenbahn nach Dahlhausen. Interessant, auf den Endhalt zu geht es bergab, und das Gleis endet einfach so, ohne Prellbock. Im Herbst nix für Angsthasen :)
Am S-Bahn-Halt steht bereits unser Fahrzeug für die Tour durchs Ruhrgebiet bereit. Die Milchkanne hat nix mit der Betreuung landwirtschaftlicher Betriebe zu tun; da drin sind Dinge wie Werkzeug, Lappen und Ölkännchen. Im Inneren des Wismarer Schienenbuses ist kaum Stauraum.
Das Fahrzeug wurde 1936 (!) gebaut, es wurde damals mit einem 40PS-Benzinmotor gefahren. Mittlerweile sind es 70 Mercedes-Diesel-PS. Kurios daran, Motor und Schaltgetriebe sind an beiden Enden des Fahrzeugs vorhanden, es wird immer der Motor passend zur Fahrtrichtung angeworfen, der dann auf die jeweilige vordere Achse des Zweiachsers wirkt. Höchstgeschwindigkeit 60 km/h, und das auch nur auf der Ebene, für Berganfahrten ist das Ding „leicht“ untermotorisiert. Der Führerstand ist minimalistisch, die Anleihen ans moderne Bahnwesen sind die PZB90 und das GSM-R-Funkgerät.
Sogar in den Auskunftssystemen sind wir zu finden, korrekt mit +5.
Gemütlich schaukeln wir durchs Ruhrgebiet, unter sachkundiger Reiseleitung, und unter den fassungslos-amüsierten Blicken der Reisenden an den Bahnsteigen. Der erste Teil der Tour führt uns über Oberhausen und Duisburg bis Essen, in die Zeche Zollverein. Dort haben wir ausgiebigen Erkundungsaufenthalt, den wir auch zur Einkehr in der Kokerei nutzen.
Weiter geht es über Herne, wo dem Fahrdienstleiter ein Mißgeschick unterläuft. Er läßt uns auf die Strecke nach Dortmund über Castrop-Rauxel raus anstelle der zu der Zeit verkehrenden RB. Zehn Sekunden, nachdem wir das Signal überfahren haben, ruft er uns an – zu spät, jetzt gehört die Fahrstraße uns :) Dumm nur, daß unsere Mühle nur 60 schafft, und eine Steigung an der Strecke mit ächzenden gut 30 nimmt, da machen wir uns nun viele Freunde. Auch fällt uns ab Herne ein neues Gesicht im Zug auf. Nun ja, evtl. gehört die junge Frau zum Team oder kennt jemanden? Aber nein, nach ein paar Minuten Fahrt geht sie zum Tf vor und beichtet, daß sie falsch eingestiegen ist. Klar, die fast 80 Jahre alte, kurios kleine Karre sieht natürlich voll nach planmäßiger RB aus, jaja. Doch vielleicht sind die Leute hier ja auch darauf geeicht, zu nehmen, was kommt, egal, wie schräg es wirken mag. Alles lacht. Jedenfalls läßt sich das Problem unkompliziert lösen, mit korrekter Ansage des außerplanmäßigen Haltes in Dortmund-Bövinghausen darf sie aussteigen, der Ausstieg in Fahrtrichtung links.
Eine weitere Kuriosität ist eine Kreuzung zwischen der Bahnstrecke und einer Straßenbahnstrecke. Dazu muß aus unserem Zug Personal aussteigen, um die Kreuzung zu sichern, da gibt es tatsächlich eine Schranke – für die StraB! Diese darf dann erst nach uns queren.
Viele unübliche Strecken befahren wir, Güterstrecken ohne jedweden Personenverkehr, unübliche Überleitungen, und permanent wechselt die Kulisse zwischen städtisch, Kühen am Wegesrand, Stahlwerken, Schwerindustrie, Schrottplätzen, Grün…
Die kurzweilige Fahrt endet für uns in Essen, wir haben viel aus der Gegend gesehen, es war ein Genuß, in dem fast 80 Jahre alten Fahrzeug entspannt durch die Lande zu cruisen. Nur ein Klo sucht man in der Kiste vergebens, das erledigen wir in der DB Lounge zu Essen.
Spontan treffen wir uns noch mit unserem Straßenbahnfahrer des Wagens 888 (debx-Tour 2015) und beschließen den Abend im Restaurant von Willi „Die Ente“ Lippens.
Heim nach Bochum kommen wir mit dem ICE 514.